„Damit hat der Europäische Rat den 10.Oktober zu einem Feiertag für den EU-Binnenmarkt gemacht. Denn diese Einigung darf zu Recht als historisch betrachtet werden“, sagt VFT-Generalsekretär Wilfried Stöckl. Seit 1993 wird um eine europaweit einheitliche Herangehensweise im Designschutz gerungen. In dieser Zeit gab es insgesamt drei Anläufe: 1993, 1997 und 2004. „Manche Bretter erweisen sich als besonders dick. Nach mehr als drei Jahrzehnten politischer Diskussion wird nun aber das Ende einer langen Phase widersprüchlicher nationaler Gesetzgebungen eingeläutet.“ Damit werden alle europäischen Verbraucher:innen die Freiheit bekommen, ihre Fahrzeuge mit Ersatzteilen ihrer Wahl zu reparieren.
Worum geht es dabei?
Produktdesign – und das gilt nicht nur für Fahrzeuge – hat entscheidenden Einfluss auf Kaufentscheidungen. Hersteller investieren viel Zeit und Geld in die optische Gestaltung ihrer Produkte. Sie haben daher zu Recht ein Interesse daran, das von ihnen aufwendig entwickelte Design gegen Nachahmung zu schützen. Das passiert über das Schutzrecht für Design, das auch als Geschmacksmusterschutz bezeichnet wird und in Österreich im Musterschutzgesetz geregelt ist. Sichtbare Fahrzeugteile sind darum von den Fahrzeugherstellern häufig zum Designschutz registriert.
Die Praxis zeigt, dass der Designschutz immer wieder auch dazu genutzt wird, um die Herstellung und Vermarktung solcher Ersatzteile zu monopolisieren. Hier setzt die Reparaturklausel an. Sie ermöglicht, dass diese Teile auf dem Ersatzteilmarkt frei hergestellt, vertrieben und zu Reparaturzwecken verwendet werden können. Das bedeutet mehr Auswahl bzw. ein größeres Angebot. Die Wirkung einer Reparaturklausel hat die EU-Kommission im Jahr 2020 in einer Marktstudie[1] festgestellt: In jenen Mitgliedsstaaten, die keine gesetzliche Reparaturklausel verankert haben, waren sichtbare Kfz-Ersatz- und Karosserieteile wie z.B. Scheinwerfer, Stoßstangen, Türen usw., um bis zu 13 Prozent teurer. Die EU-Kommission bezifferte das Sparpotenzial für die betroffenen Verbraucher:innen mit bis zu 720 Millionen Euro pro Jahr.
Österreich ist eines von elf EU-Ländern, die bisher noch keine Reparaturklausel in der nationalen Gesetzgebung vorgesehen haben. Der VFT hat sich darum in den letzten sieben Jahren intensiv für die Einführung der Reparaturklausel stark gemacht und dazu laufend den Dialog mit den relevanten Stakeholdern auf EU-Ebene und in Österreich geführt.
Wie sieht die Einigung auf eine EU-weite Reparaturklausel aus?
Bislang gleicht Europa einem Fleckerlteppich: Ein Teil der EU-Mitgliedsstaaten hat die Reparaturklausel bereits auf nationaler Ebene eingeführt, jedoch in teils abweichenden Ausprägungen und unterschiedlichen Fristigkeiten, ab wann diese vollständig wirkt. Ein anderer Teil, so auch Österreich, hat bisher keinerlei Regelungen getroffen. Angesichts dieser Ausgangslage gestalteten sich die Diskussionen bis zuletzt v.a. rund um die Frage, ab wann die Reparaturklausel EU-weit gelten soll, langwierig. So sieht das Ergebnis aus:
a. Übergangsfrist bei neuen Fahrzeugdesigns:
Die Einigung zur EU-Reparaturklausel sieht vor, dass ab 2024 der Designschutz für sichtbare Reparaturersatzteile für neue Produkte entfällt. Für neue Fahrzeugdesigns, die nach der Umsetzung der erforderlichen EU-Richtlinie registriert werden, gilt die Reparaturklausel sofort. EU-Staaten, die bereits eine Reparaturklausel haben, z.B. Deutschland, behalten ihre rechtliche Regelung bei.
b. Übergangsfrist bei bestehenden Fahrzeugdesigns:
In dem für den Reparaturmarkt schon heute relevanten Segment der Bestandsfahrzeuge wurde nach zähem Ringen der Kompromiss bei einer Übergangsfrist von acht Jahren für bereits eingetragene Fahrzeugdesigns gefunden.
„Um einen möglichst schnellen, spürbaren Effekt aus der Liberalisierung des Designschutzes zu erreichen, hat sich der VFT für eine möglichst kurze Übergangsfrist von max. 3 Jahren ausgesprochen. Österreich hat diese Position in der Ratsarbeitsgruppe auch unterstützt. Dass der Kompromiss nun bei acht Jahren gefunden wurde, ist auf die Haltung von EU-Mitgliedsstaaten mit starker Autoherstellerlobby zurückzuführen“, berichtet Stöckl. So hatte beispielsweise Deutschland im Jahr 2020 zwar bereits eine nationale Reparaturklausel eingeführt, allerdings mit 25jähriger Übergangsfrist.
c. Information über Ursprung und Hersteller
Ziel der Reparaturklausel ist, dass Verbraucher:innen ein vielfältigeres Angebot vorfinden, aus dem sie frei wählen können. Vor diesem Hintergrund müssen unabhängige Ersatzteilproduzenten und -verkäufer künftig über den kommerziellen Ursprung des Produkts und die Identität des Herstellers durch entsprechende, klare und sichtbare Hinweise informieren.
Wie geht es weiter?
20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union treten die neuen Regelungen im Designschutz und die Reparaturklausel in Kraft. Danach haben die Mitgliedstaaten 36 Monate Zeit, um die Richtlinie umzusetzen.
[1] Herz, Mejer (2020): Effect of design protection on price and price dispersion, MPRA Paper 104137